Wettbewerbsverhältnis zwischen Anwaltsvermittler und Anwalt
Darf eine Marketingagentur die Konkurrenten ihren Kunden abmahnen?
Darf ein Unternehmen, das Anwälte vermittelt, jeden Anwalt in Deutschland abmahnen und Wettbewerbsverstöße geltend machen? Steht eine Anwaltsvermittlung überhaupt im Wettbewerb zu einer Anwaltskanzlei? Dann dürfte auch eine Marketingagentur alle Konkurrenten ihrer Kunden abmahnen. Das wäre absurd.
Eine große deutsche Anwaltsvermittlungs-Plattform hatte einen Anwalt wegen dessen Werbeaussagen abgemahnt und Unterlassung der Aussagen gefordert. Die Vermittlungsplattform für Anwälte sah verschiedene Werbeaussagen des Anwalts als wettbewerbswidrig an. Als der Anwalt die Forderungen zurückwies, versuchte die Vermittlungsplattform eine einstweilige Verfügung gegen den Anwalt zu erwirken. Das Landgericht wollte nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Hierzu kam es nicht, da der Antrag kurz vorher zurückgezogen wurde. Hätte der Antrag Aussicht auf Erfolg gehabt?
Konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Vermittler und Anwalt?
Zur Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen wäre ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen dem Anwalts-Vermittler und dem Anwalt erforderlich. Die Gerichte stellen zwar keine allzu hohen Anforderungen an dieses Wettbewerbsverhältnis. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit eine Vermittlungsplattform für Anwälte und daher eine Marketingagentur im weiteren Sinne mit einer Anwaltskanzlei im konkreten Wettbewerb stehen soll. Der Anwalts-Vermittler bietet keine Rechtsdienstleistungen an, sondern vermittelt lediglich Partner-Anwälte. Der Anwalt stellte sich auf den Standpunkt, dass der Vermittler direkt keine Anwaltsleistungen anbiete, so dass hier allenfalls ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis im Raum stand.
Kein Wettbewerbsverhältnis durch Förderung fremden Wettbewerbs
Bei einem mittelbaren Wettbewerbsverhältnis, bei dem es um die Förderung fremden Wettbewerbs geht, muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und dessen Mitbewerber bestehen (BGH, Urteil vom 17.10.2013 – I ZR 173/12– Werbung für Fremdprodukte). Fördert ein Vermittler auf der eigenen Internetseite durch Werbung für Anwälte deren Wettbewerb, begründet dies für sich allein kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu einem Mitbewerber des unterstützten Unternehmens. Bei der Frage, ob im Zusammenhang mit der Förderung fremden Wettbewerbs eine Mitbewerbereigenschaft angenommen werden kann, ist nämlich zu unterscheiden, ob der Fördernde sich in der Rolle des Schuldners eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs befindet. Ist er nur Gläubiger, begründet dies kein Wettbewerbsverhältnis.
Werbepartner ist kein Mitbewerber
Der BGH führt hierzu deutlich aus, dass ein Unternehmen, das als bloßer Werbepartner agiert, nicht berechtigt ist, gegen Mitbewerber des durch die Werbetätigkeit geförderten Unternehmens vorzugehen. Die Vorschrift gibt dem Mitbewerber einen Anspruch, damit dieser sich in erster Linie selbst gegen Schädigungen und Behinderungen zur Wehr setzen kann, die er durch Wettbewerbsverzerrungen in Folge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder befürchten muss. Umgekehrt ist dies nicht möglich, folgern wir daraus. Somit darf ein Anwalt gegen den Förderer, also den Anwalts-Vermittler, vorgehen, wenn er durch die Förderung des dritten Unternehmens in seinen eigenen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt ist (BGH, Urteil vom 17.10.2013 – I ZR 173/12– Werbung für Fremdprodukte). Umgekehrt kann aber das fördernde Unternehmen nicht selbst gegen Handlungen des Mitbewerbers des geförderten Unternehmens vorgehen, weil es insoweit an seiner eigenen Mitbewerbereigenschaft fehlt (BGH, Urteil vom 17.10.2013 – I ZR 173/12– Werbung für Fremdprodukte). Daran ändere es nichts, wenn das fördernde Unternehmen mittelbar in seinen (z. B. Provisions-) Interessen betroffen sei (so Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 40. Aufl. 2022, UWG § 2 Rn. 105).
Anwalts-Vermittler ist kein Wettbewerber des Anwalts
Somit kann man aus der BGH-Rechtsprechung folgern, dass ein auf Provisionsbasis agierender Anwalts-Vermittler, wie die Klägerin, nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis mit einem Anwalt steht. Ein anderes Ergebnis wäre auch absurd: Folgt man der Ansicht der Anwalts-Vermittlung, so könnten beispielsweise die Gelben Seiten jedes Unternehmen abmahnen, dessen Konkurrenten Werbung in den Gelben Seiten machen. Jemand, der nur Werbung für Dritte macht, kann nicht die Konkurrenten des Dritten abmahnen. Das muss schon der Dritte selbst.